Tischtennis: Kein Spiel am Wochenende. Dafür war eine Crew des WSV auf Reisen. Chef-Boutonne/Perigne trat beim ambitionierten Post SV Mühlhausen an. Das Spiel wurde gleich zum Kennenlernen der Müntzerstadt genutzt. Es waren zwei tolle Tage.
Es war angerichtet. Nach dem Intercupspiel in Leipzig spielten unsere Lieblingsfranzosen diesmal wieder in Reichweite. Da wir die Verbandsligapartie in Jena verschieben konnten, reiste ein Quartett (bestehend aus Franzi, Steffen, Sebastian und Jens) nach Mühlhausen.
Am Sonnabendvormittag gings los. Auf dem Weg nach Mühlhausen machten wir einen Stopp in Niederdorla. Zuerst schauten wir das kleine und sehr feine Museum über das Opfermoor und die Geschichte der Vogtei an. Absolut sehenswert, war unser Urteil!
Seit der Wiederereinigung ist zwischen Ausstellungsgebäude und Opfermoor der geographische Mittelpunkt Deutschlands gelegen. Bevor wir uns das Opfermoor mit den Nachbildungen der Kultstätten und Göttersymbolen anschauten, rückten wir uns im wahrsten Sinne selbst in den Mittelpunkt…
Das Opfermoor mit den nachgebildeten Häusern auf dem Freigelände bietet eine Gelegenheit, in die Vergangenheit einzutauchen. In den wärmeren Monaten sind dort regelmäßig Veranstaltungen, die zum Kommen einladen.
Nachdem es leicht anfing zu regnen, stiegen wir wieder ins Auto und fuhren nach Mühlhausen weiter. Dank eines Navigationsgerätes war es keine Schwierigkeit, die georderte Pension zu finden.
Das soll aber nicht heißen, dass Navis unentbehrlich sind. Ohne so ein Navi kann man eine Stadt erst so richtig kennenlernen ;)
Unsere Unterkunft war direkt neben der Marienkirche. Sie gilt als Meisterwerk der Gotik und ist nach dem Erfurter Dom die zweitgrößte Kirche Thüringens. Impossant! Seit 1975 ist die Kirche Müntzergedenkstätte.
Bevor wir uns der Kultur hinwenden konnten, musste das Knurren in der Magengegend beseitigt werden. Dabei boten sich mehrere Möglichkeiten bei der sehr angenehmen Kneipendichte in Mühlhausen. Gefühlt ist jedes dritte Haus eine Gastwirtschaft.
Wir nahmen auf alle Fälle mit Rücksicht auf den weiteren Tag den kurzen Weg von der Pension zum Mittagessen.
"Weg" ist dabei eigentlich der falsche Begriff, suggeriert er doch eine Strecke des Bewegens. Das war nur bei uns nicht der Fall. Wir fielen faktisch aus unserer Pension direkt auf Stühle des favorisierten Pizza-Döner-Ladens.
Mit Pizza gestärkt durchliefen wir die ersten Gassen, da wir bis zur vereinbarten Stadtführung noch etwas Zeit hatten. Dabei hinterließ die Altstadt bzw. Oberstadt schon einen Eindruck auf uns.
Heutzutage überhaupt noch so gute und alte Innenstädte zu finden, ist höchst selten. Die Altstadt-Erneuerung ist hier ordentlich vorangekommen und lädt zu einem (auch längeren) Besuch ein!
Wie wir später erfuhren, hatte Mühlhausen während des 2. Weltkrieges Glück und war nicht das Ziel von Bombergeschwadern. Nordhausen war das bevorzugte Ziel der Flieger gewesen.
Zur DDR-Zeit, wo man in anderen Städten viel verfallen ließ, hatte Mühlhausen den Trumpf, dass Thomas Müntzer hier tätig war. Im Februar 1525 wurde er Pfarrer der Marienkirche. Er schlug sich auf die Seite der Bauern und wurde zu deren Leitfigur im Deutschen Bauernkrieg in Thüringen.
Dieser revolutionäre Geist war es, der in der DDR zur "Wiederentdeckung" von Thomas Müntzer führte, und der Stadt dazu verhalf, die Bausubstanz zu pflegen.
Dass mit Müntzer in der DDR-Zeit ein Geistlicher eine solche Anerkennung erfuhr, kommt mir bis heute etwas spanisch vor. Dass Müntzer eine „Kultfigur“ war, bewies die Führung auch dadurch, dass Müntzers Portrait den 5-Mark-Schein zierte. Habt Ihr es noch gewusst? ;)
Zurück zu unserem Programm. Halb Drei war pünktlich unsere Fremdenführerin da, die uns die Stadt mit ihren Besonderheiten näher brachte. Die Frau hat eine solche Führung bestimmt schon 1.000 Mal gemacht, so präzise, rhetorisch abgerundet und CD-reif erzählte sie uns von ihrer Heimatstadt. Viele Fakten gab sie an uns weiter. Z.B., dass Johann Sebastian Bach einmal an der Kirche Divi Blasii seinen Dienst als Organist verrichtete (eine Statue vor der Kirche erinnert heute daran) oder die Stadttore bis auf eines abgerissen werden mussten, damit Autos in die Stadt kommen.
Die 90 Minuten waren kurzweilig und sehr gut. Netterweise nahm uns die Führerin noch die kurze Strecke zur Posthalle mit. Sie wäre einfach zu finden gewesen, aber wenn man einmal so schnön schwatzt…
Wir wussten nun, wo die Halle war und machten uns wieder auf den Weg in die Pension, auch um Vorräte zur körperlichen Substanzauffrischung zu holen.
Dabei trafen wir die Spieler von Chef-Boutonne/Perigne samt „Coach“ André und den Betreuer, die die Mühlhauser der Truppe zur Verfügung gestellt hatten. Das Wiedersehen fiel intensiv aber erst einmal kurz aus, da die Jungs in die Halle und wir in die Pension wollten.
Nach dem Auftanken frischer Kräfte ergab sich dann eine Stunde vor Spielbeginn Zeit zum Erzählen. Chef-Boutonne/Perigne war mit der gleichen Mannschaft wie zuletzt nach Leipzig angereist: Frédéric Sonnet, Dorian Quentel und Radu Stelea.
Die Hoffnungen waren da, dass die Franzosen den Postlern mehr als Paroli bieten können. Man durfte gespannt sein.
André erzählte, dass er mit seinen Jungs einen Tag zuvor mit dem Flieger nach Leipzig gekommen war und sie dort geschlafen haben. Naja, geschlafen?! Die etwas verspannten Gesichtzüge verrieten, dass sich alle sehr auf Deutschland gefreut hatten und wohl kaum eine Minute von Leipzigs Innenstadt(leben) verpassen wollten.
Am Sonnabend waren sie mit einem Mietwagen nach Mühlhausen gefahren und machten sich fit für die Partie.
Rechtzeitig vor dem Beginn des Intercupspiels war das MDR-Fernsehen vor Ort und sollte später die Bilder für die Montagsausgabe machen.
Mit Claudius und Markus kamen zwei bekannte Gesichter aus Eisenberg zum Eingang heranspaziert und schauten mit uns das Match an.
Ob es schlussendlich am satten Eintrittspreis von 5 Euro lag, dass sich mit vielleicht 50 Hanseln sehr wenig Zuschauer einfanden? Keine Ahnung. Im Schnitt besuchen um die 130 Leute die Heimspiele in der 2. Bundesliga.
Die Videokamera war aufgebaut und es konnte losgehen. Dankenswerter Weise hat sich Post-Trainer Alexander Schieke um den lebensnotwendigen Stromverteiler gekümmert. Danke!
Die obligatorische Begrüßung und Vorstellung der Mannschaften endete mit der Übergabe der Gastgeschenke. Was machen wir uns immer für Gedanken, wenn wir etwas für unsere Spielgegner zusammenstellen!? Die Franzosen erhielten jeder einen knallgelben Fanschal mit dem Post SV-Aufdruck. Sehr einfallsreich. Genau wie wenn Jupp Heynckes von Jürgen Klopp zu Weihnachten einen Wimpel vom BVB bekommt.
Beide Teams hatten bei der Einzelaufstellung taktiert und ihre Einser nicht an Brett 1 gesetzt. So machten Petr David und Dorian Quentel den Auftakt. Der Franzose hatte uns in Leipzig beeindruckt. Diesmal lief aber gar nichts bei ihm. David machte wie später auch seine Mannschaftskameraden einen wesentlich besseren athletischen Eindruck und war hoch konzentriert. Dorian dagegen leistete sich relativ einfache Fehler, zudem er Davids Angriffswucht nie bändigen konnte. Gerade die Aufschlagannahmen von Dorian waren geradezu Einladungen zum Punkten. Nach drei Sätzen war das Spiel gegessen und damit schon eine Vorentscheidung gefallen.
Frédéric Sonnet bekam es dann mit Mattis Burgis zu tun. Bisher hatten beide zweimal gegeneinander gespielt. Jeder hatte eine Partie gewinnen können.
Ausgeglichen war das Einzel nur ganz selten. Burgis spielte seine Schnelligkeit aus und ließ sich auch von einigen starken Blockbällen des Belgiers nicht stören. Wie schon David brauchte Burgis nur drei Sätze, um Sonnet zu schlagen.
2:0 für Mühlhausen. Es war stark, wie sich die Postler präsentierten.
Nun folgte eine kurze Pause. Es war abzusehen, dass die um 17.30 Uhr begonnene Begegnung nicht mehr lange dauern würde. So hatten die Zuschauer die Möglichkeit, bei Bratwurst und Bier aufzutanken. Die Mühlhauser haben eine gute Versorgung vor der Halle. Das war top!
In der Halle wurden von den eigentlich zehn WM-Eintrittskarten für Dortmund acht verlost. Markus Walther war einer der Glückspilze, die nun für einen Tag in die Westfalenmetropole pilgern können.
Weiter mit dem Sport! Tang Bing und Radu Stelea waren an der Reihe. Als Radu nach der Aufstellung gesehen hat, dass ausgerechnet er gegen den Asiaten ran muss, war ihm sein Dauergrinsen (kurzzeitig) aus dem Gesicht gefallen.
Dass er nicht gern gegen Asiaten spielt, war ihm deutlich anzumerken. Zumal der Post-Legionär keinerlei Probleme mit dem Defensivmann aus Rumänien hatte. Das Schlägerdrehen von Radu machte Tang Bing nichts aus und so landete ein Topspin bzw. Schuss nach dem anderen auf dem Tisch von Radu.
Nach drei Durchgängen war die Ballaufhebeaktion von Radu beendet und Mühlhausen klar in Führung.
Dass Mühlhausen siegen würde, war nunmehr klar. So ging es etwas lockerer im Doppel zu. Mattis Burgis und Petr David wirkten im gleichen Atemzug zu jeder Zeit zielstrebiger. Frédéric Sonnet und Dorian Quentel gelangen auch immer mal schön Bälle, aber mehr als ein Satzgewinn zum 1:1 war ehrlich nicht drin.
Mit dem 4:0 machten die Postler kurzen Prozess und ziehen in die nächste Runde ein, während für die Franzosen der diesjährige Intercupwettbewerb beendet ist.
Das Nachspiel war interessant zu beobachten und es wurde deutlich, dass es zwischen dem Spitzen-Leistungssport und unserem Verständnis vom Tischtennismiteinander doch erhebliche Unterschiede gibt. Während wir nach einer Partie (weiter) das Gespräch suchen und mit unseren Gegnern locker quatschen, gab es das nach den obligatorischen Shakehands ersteinmal nicht.
So übernahmen wir die Initiative. Das inzwischen ausgegangene Fassbier wurde durch Flaschenbier ersetzt und mit den Franzosen genossen. (Die Versorgung stimmt in Mühlhausen. Da wiederhole ich mich gern!)
Ernstes und noch mehr Kalauer erzählten wir uns. Es war einfach angenehm, die Jungs wieder zu sehen und Spaß zu haben.
Die Erinnerungsfotos bildeten den Abschluss, bevor wir uns verabschiedeten. Die Franzosen zog es zum Spielerabend, uns zum Griechen. Dass wir uns mal wieder treffen, ist beschlossen. Vielleicht dauert es nicht so lange.
Nach dem erlebnisreichen Sonnabend begaben wir uns vor der Heimreise auf den Kulturpfad zurück. Die Müntzergedenkstätte war interessant aber doch sehr übersichtlich. Zur Baugeschichte der wirklich einzigartigen Kirche konnten wir wahnsinnig viel erfahren, über Müntzer hätte es mehr sein können.
Bevor uns die Wochenenden mit triefenden Shirts in muffigen Turnhallen erwarten, nutzten wir den Zwischenstopp in Gotha (wo wir später Franzi wegen ihrer Ausbildung zurückließen), um Schloss Friedensstein unter die Lupe zu nehmen.
Schade, dass die Zeit etwas knapp war, aber toll sind die Ausstelleungen gewesen!
Nach eineinhalb anstrengenden Tagen landeten wie dank unseres umsichtigen Fahrers Sebastian wieder sicher in unserer Heimat.
Demnächst gern wieder…